Kürzlich hat die FDP-Bundestagsfraktion ein Positionspapier für eine sehr weitgehende Aushebelung des Streikrechts beschlossen. Auch, wenn die jetzigen Koalitionspartner SPD und Grüne dem nicht zustimmen, ist dies als Bedrohung ernstzunehmen. Als Teil der Regierung hat die FDP gerade erst die Einhaltung der Schuldenbremse und weitere Steuererleichtungen für die oberen zwanzig Prozent durchgesetzt. Wenn nicht unter der Ampel, kann auch eine künftige CDU-geführte Regierung sehr schnell – mit oder ohne FDP – eine solche Vorlage aufgreifen. Denn die FDP fungiert als eine der Interessenvertretungen des Kapitals. Forderungen nach einer Einschränkung des Streikrechts kommen seit langem aus den Arbeitgeberverbänden.
Aushebelung des Streikrechts
Für die Bereiche Bahn, Flugverkehr, Gesundheit und Pflege, Kita, Feuerwehr und Müllabfuhr will die FDP folgendes durchsetzen: Streiks sollen mindestens 72 Stunden vorher angekündigt werden müssen, es soll ein obligatorischer Notbetrieb von 50 Prozent eingerichtet werden, Warnstreiks sollen nur noch 4 Stunden stattfinden dürfen und es soll eine allgemeine gesetzliche Verpflichtung für eine Schlichung sowie eine so genannte Abkühlungsphase geben.
Scheinbegründung
Natürlich darf die FDP nicht den Anschein geben, als ob sie Demokratie mit Füßen treten wolle. Deshalb konstatiert sie in ihrem Positionspapier das allgemeine Recht auf Streik. Nur in der „kritischen Infrastruktur“ seien gesetzliche Einschränkungen nötig. Natürlich versuchen sie an dieser Stelle, sich als Fürsprecher von „unbeteiligten Bürgerinnen und Bürgern“ zu verkaufen, denen diese Streiks schaden würden. Dabei knüpfen sie an die jahrelange herrschende Propaganda an, die bei jedem Streik im öffentlichen Bereich, insbesondere gegen die streikenden Lokführer*innen, gemacht wird, um die öffentliche Meinung gegen den Streik zu wenden. Hierauf müssen die Gewerkschaften gemeinsam antworten.
Ein Angriff meint alle
Erstens trifft jeder Angriff auf das Streikrecht alle Gewerkschaften und abhängig Beschäftigten. Denn was bei einem Teil durchgesetzt werden konnte, kann man später auch bei anderen früher oder später zur Anwendung bringen. Auch wenn die FDP so tut, als ob sie Einschränkungen in der Industrie nicht für nötig erachten, könnte sie dies natürlich schnell revidieren, sobald ihre Geldgeber das wünschen. Es ist dann nicht ausgeschlossen, dass die Metallarbeitgeber ebenfalls nach dem Gesetzgeber schreien, wenn Einschränkungen einmal in den öffentlichen Bereichen gelten und dieselben Regeln fordern!
Nicht der Streik schadet der Bevölkerung…
Zum anderen muss deutlich gemacht werden, dass die Bevölkerung vor allem unter dem „Normalzustand“ leidet. Nicht nur der öffentliche Personennah- und Fernverkehr ist von Personalmangel betroffen, wodurch es zu Ausfällen und Verspätungen kommt. Seit Jahren findet eine Diskussion über den eklatanten Personalmangel in Krankenhäusern, Kitas, Pflegeheimen, Schulen, Ämtern und vielem mehr statt. In Corona-Zeiten wurden Beschäfitgte sogar von den Politiker*innen beklatscht. Nur geändert hat sich nichts. Die Arbeitsbedingungen sind gesundheitsschädigend, so dass immer mehr ihren Beruf gezwungenermaßen aufgeben. Diese Zustände sind kein Naturereignis, sondern Folge einer Politik im Interesse des Kapitals: mehr Steuererleichterungen für Reiche, also noch weniger Geld im Staatshaushalt; mehr Privatisierungen von öffentlichen Diensten, also noch schlechtere Versorgung; mehr Geld für Rüstung, also noch wengier Geld für dringend nötige Investitionen in der öffentlichen Daseinsvorsorge. Ja, jeder Streik für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen hat einen politischen Anteil. Das liegt an genau dieser katastrophalen herrschenden Politik und an der Profitausrichtung des Kapitalismus. Nun soll die Möglichkeit, sich gegen die Auswirkungen dieser Politik zur Wehr zu setzen, massiv eingeschränkt werden.
Ernsthafte Bedrohung
Hier zeigt die FDP erneut ihr wahres Gesicht. Es geht dieser Partei nicht um Freiheit und Demokratie für alle, wie ihr Name vielleicht manche glauben lässt. Diese Begriffe führen sie im Mund, um die Interessen des Kapitals zu vertreten. Wir leben außerdem in Zeiten, wo die Vertreter*innen des Kapitals in ihren Verbänden und Parteien die bisher erkämpften Errungenschaften der Arbeiter*innenklasse unter Beschuss nehmen wollen. Sie wollen Sozialsysteme noch mehr aushöhlen, Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge noch mehr kaputt sparen und privatisieren. Sie wollen außerdem an die gesetzlichen Arbeitszeitregelungen ran und an die Renten. Potenzial für Gewerkschaften Seit letztem Jahr haben wir gesehen, wie die Bereitschaft gestiegen ist, sich in Tarifrunden an Streiks zu beteiligen. 200.000 Beschäftigte sind allein in die Gewerkschaft ver.di eingetreten. Das zeigt, dass es ein wachsendes Potenzial gibt, die Gewerkschaften wieder zu stärken. In den letzten Jahren gab es auch immer mehr Anfragen aus Betrieben ohne Tarifbindung, einen Kampf für Tarifverträge zu führen. Immer mehr Kolleg*innen stehen mit dem Rücken an der Wand und wollen sich zur Wehr setzen. Dieses Potenzial sollte aufgegriffen und eine neue Generation von Aktiven in den Betrieben gestärkt werden. Das muss aber mit einer kämpferischen gewerkschaftlichen Politik verbunden werden. Die Planungen für einen Angriff auf das Streikrecht müssen überall diskutiert werden.
Widerstand jetzt vorbereiten
Bei den Streiks im letzten Jahr und auch beim 1. Mai 2024 haben viele gewerkschafliche Redner*innen das Streikrecht zum Thema gemacht und gesagt, so etwas werden die Gewerkschaften nicht hinnehmen. Nun muss ein Aufschrei durch die Gewerkschaften gehen! Es wird nicht ausreichen, auf den guten Willen von SPD und Grünen zu hoffen. Denn selbst, wenn es unter der Ampelregierung zu keinen Einschränkungen kommt, könnte eine baldige CDU-geführte Regierung dieses Vorhaben sehr schnell Realität werden lassen! Die Gewerkschaften müssen jetzt mit den Vorbereitungen für eine mögliche Gegenwehr beginnen. Dabei reicht es nicht, sich verbal dagegen auszusprechen. Wenn ein solcher Angriff kommt, wird weder ein Brief an die Bundesregierung noch öffentlich ausgesprochene Empörung etwas ändern. Auf die Gerichte zu hoffen, wäre ebenfalls ein riskantes Spiel. Nicht mal Proteste und Demonstrationen würden voraussichtlich ausreichen, um eine Aushebelung des Streikrechts zu verhindern. Es wäre aber ein Angriff auf die demokratischen Rechte der Arbeiter*innenklasse und gegen die Gewerkschaftsbewegung. Deshalb muss jetzt schon über mögliche Gegenwehr in Form von Arbeitsniederlegungen diskutiert werden.
Politischer Streik – verboten?
Häufig wird hervorgehoben, politischer Streik sei in Deutschland verboten. Es gibt kein gesetzliches Verbot, nur Richterrecht. Doch hat es immer wieder politische Streiks gegeben, gegen die kein Urteil gesprochen wurde. Zuletzt gab es zum Beispiel im Jahr 2007 Arbeitsniederlegungen gegen die Einführung der Rente mit 67 mit 300.000 Teilnehmer*innen, 1996 Streiks gegen die geplante Kürzung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und davor gab es weitere politische Streiks. (Siehe u.a. www.bpb.de/themen/medien-journalismus/netzdebatte/219308/ein-bisschen- verboten-politischer-streik/) All das ist eine Frage der Kräfteverhältnisse. Wenn die Gewerkschaften aufrufen und sich Hunderttausende bis Milllionen daran beteiligen, hat kein bürgerliches Gericht eine Handhabe, das zu ahnden.
Druck von unten
Eine solche Reaktion der Gewerkschaften muss gut vorbereitet werden. Bisher ist es allerdings kaum Thema in den Gewerkschaften, genauso wenig wie weitere drohende Angriffe gegen die Masse der Lohnabhängigen. Damit sich das ändert, haben wir die gewerkschaftsübergreifende Initiative „Wir schlagen Alarm“ www.wir-schlagen-alarm.de ins Leben gerufen. Unsere Initiative hat sich auf einem ersten Treffen im Juni vorgenommen, die Debatte über Anträge in die Gewerkschaften hineinzutragen und fordert in diesen Anträgen die Gewerkschaften zum Handeln auf. Gleichzeitig ergreifen Kolleg*innnen praktisch Initiativen für Aktionen, um so ein Zeichen zu setzen, wie aktuell Proteste vor FDP-Zentralen. Wir möchten alle herzlich auffordern, den Aufruf zu unterzeichnen und mit uns in Kontakt zu treten. Schreibt uns info@wirschlagenalarm.de.
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