Dresden: „Bündnis für Pflege“ protestiert gegen Pläne der FDP zur Streikrechtsverschärfung
Gute 30 Personen protestierten am vergangenen Dienstag in der Dresdner Innenstadt unter dem Motto „Streikrecht verteidigen!“ gegen die Pläne der FDP-Bundestagsfraktion die Möglichkeit von Arbeitskämpfen streng zu beschränken. Anlass war eine Wahlkampfkundgebung der Liberalen, auf der Bundesfinanzminister Christian Lindner für die Stimmenabgabe zugunsten seiner Partei warb. Zum Wahlkampfabschluss der FDP kamen gut 200 Menschen.
Steve Hollasky, Dresden
Die Aktivistinnen und Aktivisten des „Bündnis für Pflege“ wendeten sich in ihrer Aktion gegen das Vorhaben der liberalen Bundestagsfraktion, das Recht zu streiken gesetzlich einzuschränken. Die fordert unter anderem, dass Warnstreiks nächstens nicht länger als vier Stunden dauern dürfen und 72 Stunden vorher angekündigt werden müssen. Nach Ende eines Warnstreiks soll dann immer eine Abkühlungsphase von 72 Stunden folgen. Zudem soll ein Notdienst von 50 Prozent nächstens die Hälfte der Kolleg*innen von einer Streikteilnahme ausschließen. Effektive und spürbare Streiks würden damit extrem erschwert werden.
Die Begründung für diesen Eingriff in die politischen Rechte von Beschäftigten lieferten die liberalen Bundestagsmitlieder gleich mit: Es sei der Arbeitskampf der Kolleg*innen der Gewerkschaft der Lokomotivführer (GDL) gegen die Deutsche Bahn gewesen, die diese Verschärfung angeblich notwendig machen würde, wie die FDP-Bundestagsfraktion in ihrem Papier erklärt.
Für das „Bündnis für Pflege“ Grund genug, um sich laut hörbar gegen die Vorhaben der FDP zu stellen: Auf einer Kundgebung neben der Wahlkampfversammlung der FDP wurde in Reden und Sprechchören deutlich gemacht, dass die anwesenden Kolleg*innen die Pläne der Liberalen klar ablehnen. Zudem unterstützte eine Trommelgruppe den Protest.
Auf der Kundgebung wurde klar gestellt, dass die Ideen der FDP ein Angriff auf die Kolleg*innen darstellen. Nicht der Streik sei das Problem, so die deutliche Feststellung in den Reden, sondern der Normalzustand. Denn genau der gefährde in Wirklichkeit die von der FDP immer wieder angeführten „unbeteiligten Dritten“.
Normalzustand im Gesundheitswesen bedeute erst Verkauf und dann häufig genug die Schließung von Kliniken. Normalzustand bedeute Personalmangel in Gesundheitswesen und Pflege. Der Normalzustand bedeute Heimsterben. Sich gegen diesen Normalzustand zur Wehr zu setzen, sei nicht nur das Recht der Kolleg*innen, sondern setze sich gerade für die Interessen der „unbeteiligten Dritten“ ein. Nicht die FDP, so die Ansage der Bündnisaktivist*innen, nehme deren Rechte wahr, sondern gerade die Streiks, die sich gegen den Personalmangel und Ausdünnung der Kliniklandschaft wehren.
Zudem seien zahlreiche Kämpfe in der Vergangenheit gerade durch Streiks gewonnen worden: Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die Tarifverträge zur Entlastung sind nur zwei Beispiele.
Am Ende der Kundgebung wurde der FDP eine Protesterklärung des Bündnisses übergeben. Eigentlich wollte der Bundesfinanzminister Christian Lindner diese entgegennehmen, für ihn sprang schließlich der Geschäftsführer der Bundestagsfraktion Torsten Herbst ein (Protestnote des Bündnisses und Antwort der FDP-Fraktion finden sich unten).
Herbst erklärte, man würde das Streikrecht verschärfen wollen, weil durch den Ausstand der GDL Pflegekräfte nicht mehr ihre Arbeitsstelle hätten erreichen können. Diese Äußerung quittierte die Abordnung des Bündnisses mit dem Zwischenruf, man werde sich „nicht spalten“ lassen. Herbst behauptete auch, eine Pflegekraft könne doch nicht streiken, wenn Patientinnen und Patienten Hilfe brauchen würden. Deutlicher konnte er kaum sagen, dass sich seine Fraktion mit Streiks von Arbeiter*innen im Gesundheitswesen und der Pflege nicht abfinden wollen wird. Zudem sprach sich Herbst – wenig überraschend – für private Kliniken und Pflegeeinrichtungen aus.
Die FDP steht somit für Profitstreben in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen und wer sich im Interesse der Patient*innen und Bewohner*innen dagegen wehren will, dem droht die FDP das Streikrecht durch massive Verschärfungen faktisch weitgehend zu nehmen. Da wird es auch nicht besser, dass Herbst während der Übergabe der Protestnote ankündigte, es werde in der laufenden Legislaturperiode keine Anstrengung der FDP in diese Richtung mehr geben. Ohnehin dürfte das Papier eine Art Empfehlungsschreiben der Liberalen für eine Koalition mit der CDU/CSU nach der nächsten Bundestagswahl darstellen.
Das „Bündnis für Pflege“ forderte vom DGB Aufklärung in den Betrieben und Einrichtungen über die Pläne der FDP und die Organisierung großer Proteste gegen diese Vorhaben. Der Ankündigung der DGB-Chefin Yasmin Fahimi, man werde in der Frage „keinen Millimeter“ weichen müssten unbedingt Taten folgen.
Antwort der FDP:
Sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank für das Gespräch am Rande der Lindner-Kundgebung. Ich möchte Ihnen wie besprochen kurz auf Ihr Schreiben antworten.
Die Tarifauseinandersetzung zwischen der Gewerkschaft der Lokomotivführer (GDL) und der Deutschen Bahn sowie der Bestreikung weiterer Bereiche der kritischen Infrastruktur haben in den vergangenen Monaten ein Ausmaß angenommen, das die Frage nach der Verhältnismäßigkeit aufwirft. Daher sind wir als Freie Demokraten der Ansicht, dass es notwendig ist, die Interessen von unbeteiligten Dritten im Hinblick auf die Ausführung von Streiks angemessen zu berücksichtigen und sicherzustellen, dass die Verhältnismäßigkeit von Streiks gewahrt wird. Ziel muss es sein, das Streikrecht zu wahren und gleichzeitig die Auswirkungen für die Bevölkerung zu minimieren. Das Streikrecht ist im Rahmen der Tarifautonomie ein hohes und schützenswertes Gut. Aber gerade, wenn die kritische Infrastruktur betroffen ist, muss Verhältnismäßigkeit sichergestellt werden. Für Arbeitnehmer ergibt sich das Recht zu streiken aus Art. 9 Abs. 3 GG. Die Vorgaben zur Gestaltung von Arbeitskämpfen beruht allerdings lediglich auf Gerichtsurteilen (sogenanntes Richterrecht). Dabei hatte das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss vom 26.05.1970 den Gesetzgeber bereits dazu aufgerufen „die Tragweite der Koalitionsfreiheit dadurch zu bestimmen, dass er die Befugnisse der Koalitionen im Einzelnen gestaltet und näher regelt“. Daher sollte der gesetzgeberische Spielraum genutzt werden, um die Interessen der Bürgerinnen und Bürger und der Wirtschaft zu schützen und das öffentliche Leben aufrechtzuerhalten.
Mit freundlichen Grüßen,
Torsten Herbst